Unterwegs mit der Kirchenleitung in Ruanda

Unterwegs mit der Kirchenleitung in Ruanda


Im Februar und März 2014 reisten Mitglieder der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen unter der Leitung von Vizepräsident Albert Henz und Ökumene-Dezernent Dr. Ulrich Möller nach Ruanda und in die Demokratische Republik Kongo. Über einen Teil der Strecke berichten wir in diesem Artikel.


Es ist Donnerstagnachmittag am Kivu-See in der Westprovinz Ruandas, als der Bus mit Mitgliedern der Kirchenleitung in Karongi/Kibuye im Tagungszentrum Bethanie ankommt. Die Delegation aus Westfalen wird sich an der Bonhoeffer-Konferenz mit dem Thema „Frieden und Versöhnung“ beteiligen, die hier tagt. Die anderen Teilnehmenden der Konferenz fahren an diesem sonnigen Tag mit kleinen Booten über den Kivu-See, der je zur Hälfte zu Ruanda und zum Kongo gehört. Es gibt eine kleine Pause auf einer Insel, deren Strände eher nach Karibik und weniger nach Afrika aussehen. Wie so oft in Ruanda wird der Betrachter auch hier von der vielfältigen und beeindruckenden Landschaft überrascht, denkt man bei Afrika doch zunächst an Steppen und Savannen und nicht an reichhaltiges Grün. Wenn man den Blick Richtung Westen wendet, kann man die zum Kongo gehörende Küste sehen. Hierher ist die Delegation der Kirchenleitung gekommen, bevor sie in Karongi eintraf. Unter anderem waren sie in Goma, der Stadt an der Grenze zu Ruanda. Durch den letzten Ausbruch des Vulkans Nyiragongo Anfang 2002 wurden rund 400.000 Menschen in die Flucht getrieben, große Teile der Stadt ausgelöscht und die Region weiter destabilisiert. 1994 war Goma eines der Ziele von Flüchtlingen aus Ruanda, die im Zusammenhang mit dem Genozid* ihr Land verließen. Anne Rabenschlag, Mitglied der Kirchenleitung und Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Dortmund, beschreibt die Reise mit dem Schiff von Goma nach Bukavu so: „Goma liegt hinter uns: die Armut einer Stadt, in der eine Million Menschen leben, gebeutelt durch den Krieg und den letzten Vulkanausbruch. Wir spüren nicht mehr die rauen Straßen, die Schlaglöcher, das scharfkantige Lavagestein. Leise und ruhig gleitet das Schiff auf die offene Wasserfläche hinaus. Wir atmen durch, genießen die Stille und haben einen scheinbar unendlichen See vor uns.“ Auf diesem See und in der Region waren vor über 100 Jahren deutsche Missionare der Bethel-Mission unterwegs. Um das damals in Deutschland gebaute und in kleinen, tragbaren Kisten nach Afrika transportierte Schiff, die „Bodelschwingh“ ranken sich großartige Legenden. Es wurde im Kivu-See versenkt und soll heute noch von der Wasseroberfläche aus zu sehen sein.


Frieden und Versöhnung

Das Thema Frieden und Versöhnung begleitet die Kirchenleitung während ihrer gesamten Reise, nicht nur auf der Bonhoeffer-Konferenz. Die Spuren des Genozid von 1994 sind im ganzen Land erkennbar, und auch die Probleme mit dem Nachbarland Kongo bekommt man vor allem in der Grenzregion mit.

Die Reise führt die Kirchenleitung auch zur zentralen Genozid-Gedenkstätte in die ruandische Hauptstadt Kigali. Erst seit 2004 gibt es diese Gedenkstätte. Sie thematisiert die vielfältigen und komplizierten Zusammenhänge des Genozid. Hier legen wir im Gedenken an die Opfer Blumen nieder. Anschließend, beim Gang durch die Ausstellung, spürt der Betrachter Wut, Verzweiflung, Trauer. Immer wieder kommt die Frage hoch: Wie konnte dies passieren? Die Gedenkstätte informiert auch über die künstliche Unterscheidung einzelner Volksgruppen durch die Kolonialherren. Eine Information zum Genozid sticht dabei besonders heraus, wie Dr. Michael Bertrams, Mitglied der Kirchenleitung im Blog zur Delegationsreise festhält: „In der Hoffnung auf Schutz suchten damals Tausende Menschen Zuflucht in den Kirchen des Landes. Sie wurden zur furchtbaren Falle, da katholische Priester – so die Aussage des Museums – den mordenden Hutus die Kirchentüren öffneten.“ Trotz dieser und vieler weiterer Verbrechen ist Versöhnung doch möglich. Ein großartiges Beispiel erleben wir in der evangelisch-presbyterianischen Gemeinde in Remera. Hier treffen sich seit drei Jahren alle zwei Wochen Täter und Opfer. Ein Pfarrer dieser Gemeinde hat das Versöhnungszentrum aufgebaut. Ein Hutu, der 1994 mit anderen Tutsi tötete, war elf Jahre im Gefängnis. Nun sitzt er in einer Kirchenbank, nur wenige Meter entfernt, und erzählt von diesem Projekt. Versöhnung durch Dialog und Miteinander können wir hier direkt und unmittelbar erleben. Frauen erzählen davon, wie sie ihren Mann und ihre Kinder verloren haben. Sie alle lassen Versöhnung zu.
Partnerschaft und Verbundenheit

Eine solche Delegationsreise der Kirchenleitung ist in erster Linie eine Partnerschaftsreise. Die anglikanische und presbyterianische Kirche in Ruanda sind mit der Evangelischen Kirche von Westfalen durch die VEM (Vereinte Evangelische Mission) verbunden. Diese Partnerschaft verschiedener Kirchen auf drei Kontinenten lebt seit langen Jahren von der persönlichen Begegnung und dem Miteinander, im Bewusstsein der Verbundenheit in Jesus Christus.


Alle einzelnen Tagesberichte und viele Fotos gibt es im Blog der Kirchenleitung unter:
http://kirchenleitung-unterwegs.ekvw.de

* Genozid bedeutet, dass eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe innerhalb einer Volksgemeinschaft ganz oder teilweise vernichtet wird. In Ruanda passierte dies durch den Völkermord der Hutu an den Tutsi. Innerhalb von 100 Tagen wurden 800.000 Tutsi und liberale Hutu (die sich nicht am Völkermord beteiligen wollten, oder sich aktiv dagegen einsetzten) getötet.