Tent of Nations

Wir weigern uns Feinde zu sein!

von Mathias Neumann

 

“Wir weigern uns, Feind zu sein.” Seit 21 Jahren streitet der palästinensische Christ Daoud Nassar vor Gericht um sein Grundstück, das vom israelischen Staat enteignet werden soll. Nassar und seine Familie weigern sich – mit friedlichen Mitteln. Vor mehr als zehn Jahren schlug er auf seinem Grundstück das Tent of Nations auf. Das “Zelt der Nationen” zieht Jahr für Jahr Volontäre aus der ganzen Welt auf eine Olivenplantage. Ob bei der Feldarbeit oder auf den alljährlichen Sommercamps: Unter dem Zelt der Nationen sollen sich Israelis und Palästinenser begegnen.

Seit dem Gaza-Krieg im Sommer reißen die schrecklichen Nachrichten aus Israel nicht ab. Nach einer vermeintlichen Pause der Zwischenfälle wurde es in Jerusalem und im Westjordanland wieder unruhiger. Genauso wie diese Unruhe Einzelfälle sind, gibt es auch andere Bemühungen wie diejenige Daoud Nassars.

Daoud Nassar lebt in Bethlehem und hat dort als arabischer Christ eine Position zwischen den Fronten: Für viele Israelis würde er zwar nicht als palästinensischer Muslim, aber dennoch als Palästinenser und Araber gelten. Für viele Muslime gilt er nicht als Jude oder Israeli, aber eben auch nicht als einer der Ihren. Umso wichtiger ist es, dass Menschen wie er sich bemühen, Raum für Begegnung zu schaffen. Ohne solche Initiativen sähe die Lage schlechter aus: schon jetzt treffen junge Israelis und Palästinenser kaum aufeinander, um einander kennenzulernen. In israelischen Schulen wird neben dem Judentum nur wenig anderes im Religionsunterricht gelehrt und Propaganda auf beiden Seiten schafft klare Feindbilder.

Dies zu ändern sieht auch Hannah Bentkowsky als ihre Aufgabe. Sie bemüht sich vor allem um den jüdisch-christlichen Dialog in Israel. Aufgewachsen ist sie als orthodoxe Jüdin, also in einem Lebensstil, der in besonderer Weise von den jüdischen Geboten geprägt ist. In ihrem Schulunterricht hat sie nur wenig vom Christentum gehört: erwähnt wurden einzig die Kreuzzüge, Judenverfolgungen im Mittelalter und natürlich der Nationalsozialismus. So entsteht vom Christentum ein negatives Bild und die Religion selbst wird nicht verstanden. Ihr selbst hat das nicht gereicht, daher hat sie in Jerusalem „Vergleichende Religionsstudien“ studiert und so das Christentum und auch ihre eigene jüdische Identität besser verstanden. Mittlerweile bildet sie einerseits offizielle israelische Guides für Touristen aus und unterrichtet andererseits Soldaten, die ihren Wehrdienst ableisten. Sie wirbt für Verständnis anderer Religionen, da es z.B. bereits vorgekommen ist, dass der Nuntius – also der höchste Vertreter des Vatikans, der immer auch Bischof ist – zu einer offiziellen Veranstaltung eingeladen wurde und diese Einladung an „den Bischof und seine Frau“ adressiert war. Dies bringt einen eher zum Schmunzeln, schwieriger ist aber die Lage an Ostern. Tausende Christen wollen die Grabeskirche besuchen, die sonst von einer Hand voll Polizisten gesichert wird. An Ostern jedoch kommen viele Polizisten von auswärts zur Verstärkung, die keinerlei Ahnung von dem haben, was innen passiert – und gleichzeitig mit frommen Pilgern konfrontiert werden, die auf jeden Fall auch noch in die bereits überfüllte Kirche gehen wollen, da sie sich vielleicht einmal im Leben diese Reise leisten können. Da ist Verständnis gefragt.

Begegnung und Kommunikation haben hier im Land und besonders in Jerusalem eine große Bedeutung. So finde ich es sehr schön, dass die Dormitio-Abtei – ein Benediktinerorden auf dem Zionsberg – extra für liberale Juden die Gottesdienste an Heiligabend neu konzipiert hat. In den vergangenen Jahren kamen viele Juden mit teilweise deutschem Hintergrund in die Weihnachtsmesse, um die schönen deutschen Weihnachtslieder zu singen. Da sie so viel Freude hatten, nahmen sie an dem ganzen Gottesdienst teil, so dass es mit einem Mal 300 Erstkommunionen gegeben hat. Als dann ein Priester auf die theologische Bedeutung der Abendmahlsfeier aufmerksam gemacht hat, war der Schock groß. In diesem Jahr wird es daher neben der Messe auch noch um Mitternacht ein besonderes mönchisches Stundengebet geben, in dem alle Lieblingsweihnachtslieder der jüdischen Besucher gesungen werden können. Ganz ohne Abendmahl.

Links:

www.tentofnations.org

www.jcjcr.org

Studienjahr: 41studienjahr.wordpress.com