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66 Jahre Diakonisches Jahr: Geschichten, die das Leben prägen

Strandkorb 193, ganz vorne in der ersten Reihe, direkt neben der blauen Badeaufsicht – hier hatte ich mich mit Dr. Gisela Blümm verabredet, während wir beide Urlaub auf Langeoog machten. Gisela Blümm und ich teilen mindestens zwei große Leidenschaften: Langeoog und das Diakonische Jahr, den Freiwilligendienst der Evangelischen Kirche von Westfalen – also ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD). Dr. Blümm absolvierte 1962 ein Diakonisches Jahr. Ich selbst leite dieses seit 11 Jahren.

Seit nunmehr 66 Jahren gibt es das Diakonische Jahr der Ev. Kirche von Westfalen – deutschlandweit sogar schon seit 70 Jahren. Dieses Jubiläum haben wir am 31.08.2024 im Haus Villigst in Schwerte mit einem Ehemaligentreffen gefeiert. Rund 150 ehemalige Freiwillige, aktuelle und ehemalige Referent*innen und Co-Seminarleitungen kamen zusammen. „66 Jahre – Abenteuer meines Lebens“ war das Thema, zu dem es Workshops, Gespräche und ein abendliches Lagerfeuer gab.

Leider konnte Gisela Blümm nicht dabei sein, sie war noch im Urlaub auf Langeoog. Genau wie ich noch einige Tage zuvor, und so trafen wir uns im Strandkorb 193, um uns im Vorfeld des Ehemaligentreffens über das Diakonische Jahr und unsere Erfahrungen auszutauschen.

Frau Blümm erzählte, wie sie in der Schule durch ein Plakat auf das Diakonische Jahr aufmerksam wurde. Gerade hatte sie ihr Abitur gemacht und wollte in einer sozialen Einrichtung arbeiten. Ihr Interesse galt der Medizin, und so kam sie für ein Jahr auf eine Kinderstation in einem Krankenhaus. „Ich wollte unbedingt von zu Hause ausziehen, möglichst weit weg.“, erzählte sie mir. Gemeinsam mit zwei anderen Freiwilligen zog sie in ein Zimmer direkt auf der Kinderstation. „Damals funktionierte Krankenhaus anders als heute“, denkt sie zurück. Die Kinder lagen in Schlafsälen. Einer dieser Säle war mit 17 Betten besonders groß und belegt mit Kindern im Alter von 4-6 Jahren. „Ich hatte fast ein bisschen Angst, da reinzugehen“, erinnert sich Frau Blümm, „sie haben mir ja auf der Nase herumgetanzt und sind durch den Raum gerannt, auch wenn sie eigentlich in ihren Betten liegen sollten.“ Die Kinder hatten „Perthes“ (auch Morbus Perthes genannt), eine Erkrankung des Hüftgelenkes. „Sie lagen ein ganzes Jahr in einem Gipsbett und bekamen nur einmal in der Woche Besuch von ihren Eltern. Eine Freundin, die mich besuchen kam, fand das furchtbar, aber das war damals so.“

Insgesamt, so resümierte Blümm, waren diese Erfahrungen für sie so wertvoll, dass sie sich bestärkt fühlte, Medizin zu studieren.

Auch bei dem Ehemaligentreffen hörte ich viele von besonderen und prägenden Erfahrungen berichten. Ulrike erzählte, dass sie 1979 „Leute kennengelernt hat, die ihr bis heute wichtig sind“. Wolfgang hat durch seinen Dienst 1970/1971 einen neuen Beruf gefunden, und Susanne schwärmte von ihrem „wunderbaren fürsorglichen Team“, mit dem sie 1993/1994 zusammenarbeitete. Eugen erlebte 2013 die „Arbeit mit beeinträchtigten Personen“ als Highlight seines Jahres, während Lea aus dem Jahrgang 2022/2023 die Seminare und ihre Gruppe besonders in Erinnerung geblieben sind.

Viele bleiben seit ihrem Dienst in Verbindung. „Ich habe bis heute noch Kontakt zu einer anderen Freiwilligen von damals. Ende September fahren wir sogar zusammen nach Berlin“, berichtete Gisela Blümm.

In all diesen Gesprächen wurde immer wieder deutlich, wie sehr das Diakonische Jahr dazu beigetragen hat sich persönlich und beruflich zu orientieren, tragende Freundschaften zu schließen und auf jede erdenkliche Art zu reifen. Eben ein Jahr, das prägt. Oft ein Leben lang.

 

Ute Gerdom

 

  • Ute Gerdom (l.) und Dr. Gisela Blümm.

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