Dr. Erhard Holze stellt die 16. Shell-Jugendstudie in der Fachkonferenz Jugend in Münster vor
Hierbei handelt es sich um eine Langzeitberichterstattung über die junge Generation in Form einer kontinuierlichen Sozialberichterstattung. Diese empirische Erforschung dessen, was die Jugendlichen in Deutschland denken, fühlen und hoffen begann bereits 1953. Befragt wurden 2604 Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren im Zeitraum Januar bis Juni 2010, differenziert nach Altersgruppen, Geschlecht, Statusgruppe (wie Schüler, Azubi, Studierende), nach Herkunft aus Ost- oder Westdeutschland und nach deutscher oder ausländischer Staatsbürgerschaft. Diese 2604 geführten standardisierten Interviews wurden ergänzt durch 20 qualitative Fallstudien. Die durchschnittliche Interviewdauer betrug 45 Minuten. Grundlage der Interviews war ein Katalog von rund 100 Fragen.
Die gesamte Studie steht unter dem Motto: „Eine pragmatische Generation behauptet sich“. 2006 - bei der vorherigen Studie - lautete das Motto noch: „Eine pragmatische Generation unter Druck“. „Pragmatisch“ nennen die Autoren der Studie die Mischung aus „Ehrgeiz und Zähigkeit“ einerseits und der „lockeren Art, die Dinge auf sich zukommen zu lassen“ andererseits. Sie bezeichnen die heutigen Jugendlichen als eine „pragmatische Generation, die es gelernt hat, mit dem gesellschaftlichen Druck umzugehen“.
Als zentrale Einzelergebnisse leitete Dr. Holze ab:
- Optimismus: bezogen auf den Arbeitsplatz und das Ausbildungsverhältnis. Allerdings, so Dr. Holze: „Jugendliche aus den sozial schwächsten Schichten bleiben ausgegrenzt.“
- Familienorientierung: Familie hat weiterhin einen hohen Stellenwert. 76% der Jugendlichen stimmen der Aussage zu: „Man braucht eine Familie, um wirklich glücklich zu werden.“ 90% der Jugendlichen haben nach ihrer eigenen Einschätzung ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern.
- Internet: die befürchtete „digitale Spaltung“ aufgrund des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Zugangsmöglichkeiten zum Internet lässt sich nicht feststellen. 96% aller Jugendlichen haben Zugang zum Internet. 2006 waren es noch 66%.
- Politik: Der Anteil der politisch Interessierten beträgt 37% und ist damit stabil. Unterdurchschnittlich schnitten beim Institutionsvertrauen ab: Bundesregierung, Kirchen und Parteien.
- Religion: in den neuen Bundesländern spielt sie „kaum eine Rolle“, in den westdeutschen eine „mäßige“. Bei Migranten ist häufig eine „religiöse Vitalität“ festzustellen.
Zusammenfassend lässt sich eine hohe Lebenszufriedenheit und ein ausgeprägter Zukunftsoptimismus feststellen (59%).
Die Fachkonferenz merkte kritisch an, dass die Zahl der Befragten zu gering war, um derart differenzierte Aussagen machen zu können. Auch überwiegen die System stabilisierenden Feststellungen der Jugendstudie. Die Kritik der kirchlichen Fachleute bezog sich auf die Aussagen, dass die Studie nur von 10% Jugendlichen aus sozial schwachen und schwierigen Familien spricht, den Migrationsaspekt fast völlig vernachlässigt, die Akzeptanz der Eltern durch ihre Kinder zu positiv wertet und Einschätzungen zu Institutionen unglaubwürdig darstellt. Die Aussagen zum Themenbereich „Religion“ sind mit großer Vorsicht zu behandeln, da hier bereits die Erfassungskritierien fragwürdig seien.
Die Fachkonferenz Jugend moderiert ihr Vorsitzender, der Geschäftsführer des Jugendreferates, Dieter Schönfelder. Er äußerte abschließend die Hoffnung und den Anspruch, dass gerade bei einer Zunahme der „Glaubensverunsicherten“ die Angebote der evangelischen Jugendarbeit so dicht in die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen passen, dass in der gemeinsamen Auseinandersetzung über Glaubens- und Lebensfragen überzeugende Antworten entwickelt werden können, die sich als tragfähig in der Lebenspraxis erweisen.
Text: Dieter Schönfelder
Foto: Ruth Frieling