Das Profil Evangelischer Offener Jugendarbeit stärken

Das Profil Evangelischer Offener Jugendarbeit stärken - Refinanzierungen sichern

Beschluss der Jugendkammer am 01.07.2011

Offene Arbeit ist nach § 12 3. AG-KJHG – KJFöG eine Form der Kinder- und Jugendarbeit. Der Träger der Öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt) hat nach § 8  den Bedarf zu ermitteln und die notwendigen Einrichtungen im partnerschaftlichen Zusammenwirken mit den Trägern der freien Jugendhilfe vorzuhalten und zu finanzieren (vgl. auch § 15). Auf dieser Grundlage befinden sich in Westfalen ca. 240 Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft. Die Trägerkosten werden durchschnittlich mit 70% der Personal- und Sachkosten gefördert (vgl. ELAGOT Datenerhebung November 2009).

Obwohl das Wort „Refinanzierung“ zurzeit in aller Munde ist, beobachtet die Jugendkammer mit Sorge, dass manche Gemeinden ihre Offene Kinder- und Jugendarbeit „einsparen“ und damit die hohe „Refinanzierung“ der hauptberuflichen Mitarbeitenden verschenken.  Die Jugendkammer hält dies für einen Irrweg, der die Chancen, die in diesem Arbeitsfeld für den Gemeindeaufbau liegen, verkennt.

Die Jugendkammer erinnert eindringlich alle Verantwortlichen daran, dass Offene Jugendarbeit eine sinnstiftende Antwort auf die Lebenssituation und Lebenswelt junger Menschen war und ist. Konzeptionell bewegt sie sich in dem Spannungsfeld der Interessen und Bedarfe der Kinder und Jugendlichen, der Interessen und Bedarfe der Kirchengemeinde und der Interessen der öffentlichen Jugendhilfe. Deshalb hat die Offene Arbeit sich wie kaum ein anderer Arbeitszweig der Kirche seit seiner Entstehung so in seiner Wirksamkeit von Konzeption und Praxis öffentlich verantworten müssen. Dabei wird immer wieder deutlich, dass die Offene Arbeit kein isolierter (kirchlicher) Bereich, sondern integrierter und integrierender Bestandteil von Gesellschaft, Kirchengemeinde, Stadtteil etc. ist. Gerade weil es in der Offenen Arbeit insbesondere um die Wiederherstellung von gesellschaftlicher Partizipation marginalisierter Kinder und Jugendlicher geht, wird dieses Thema immer wieder "brisant" diskutiert werden müssen.


Begründung
Gegenwärtig besteht eine der wichtigsten Herausforderungen der Konzeptionsentwicklung von Einrichtungen in evangelischer Trägerschaft in der Tatsache, dass die Besucherinnen und Besucher die multireligiöse und multiweltanschauliche Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft abbilden. Zudem wird Religion und Weltanschauung gesellschaftlich zumeist in die alleinige Zuständigkeit des Individuums gewiesen. Evangelische Offene Arbeit, wenn sie sich selbst treu bleibt, wird hier widersprechen.

Zwar gilt: Religiöse Sprache und Symbole des Glaubens haben ihren Sinn im Alltag und  im Leben weitgehend verloren und sind in der Wahrnehmung der Jugendlichen (und Mitarbeiter/innen) oft zu Worthülsen geworden. Ein Beispiel hierfür: Wenn in  Fachkreisen von der "Begegnung muslimischer und christlicher Jugendlicher" geredet wird, verkennen die Meisten die Tatsache, dass sich die Jugendlichen im Alltag nicht als Angehörige zweier verschiedener Religionen begegnen, sondern als Deutsche, Italiener, Kurden, Griechen, Türken, usw. Aber es gilt eben auch: In der Evangelischen Offenen Arbeit kann die Kooperation mit Kindern und Jugendlichen aus unterschiedlichen Kulturen als "gemeinsam gelingendes Leben" erprobt und erfahren werden. Hierbei wird immer wieder deutlich werden, dass das Leben nicht im Vorhandenen aufgeht. In der Wahrnehmung der spirituellen Bedürfnisse der Jugendlichen bietet die Offene Arbeit einen Ort für spirituelle Experimente und daraus wachsende Glaubenserfahrungen, die geprägt sind von liebevoller Annahme und persönlicher Wertschätzung. Dies schließt aber ein, dass die Christinnen und Christen inklusive der hauptamtlich Mitarbeitenden ihren eigenen Glauben nicht verstecken.  Das Reden von Gott und Jesus Christus  sollte dabei allerdings geprägt  sein von persönlichen  Glaubenserfahrungen, da nur authentische Zeugnisse  in der heutigen Zeit verstanden werden.
In dem Alltag einer Freizeitstätte bieten sich, wenn Vertrauen entstanden ist, für Gespräche über den Glauben immer wieder ungezwungene Anknüpfungspunkte, ohne dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin von sich aus drängen muss. Oft fragen die Jugendlichen die Mitarbeitenden des Hauses nach deren Motivation zur Arbeit, was Anlass für ein Gespräch über Glaubens- oder Religionsfragen auch mit Bezug zum Alltag der Jugendlichen werden kann. Zudem ergeben sich im Alltag immer wieder besondere Anlässe zur religiös geprägten Reflexion und für spirituelle Angebote.