Es ändert sich was und zwar grundlegend
Bundesweiter Fachtag des Amtes für Jugendarbeit der EKvW thematisierte Herausforderungen des Wandels für die Jugendarbeit der Zukunft.
Mit den Worten „Es ändert sich was für die evangelische Jugendarbeit und zwar grundlegend“, begrüßte Udo Bußmann, Landesjugendpfarrer der EKvW (Evangelische Kirche von Westfalen) rund 150 Gäste des Fachtags am Dienstag den 27.10. in Haus Villigst. Das Amt für Jugendarbeit der EKvW hatte bundesweit unter dem Titel „Jugend 2025 - Wer ist sie und wenn ja, wie viele?“ eingeladen, um dem Was und Wohin der Veränderungen näher auf die Spur zu kommen.
„Die klassische Jugendarbeit mit Gruppenstunden funktioniert nicht mehr so, wie wir es kannten. Wir erleben, dass wir immer weniger Teilnehmende erreichen“, analysierte Prof. Germo Zimmermann von der CVJM-Hochschule in Kassel in seinem Fachvortrag und beschrieb damit die Erfahrungen etlicher der anwesenden pädagogischen Fachkräfte. Die Gründe dafür seien überwiegend, so Zimmermann, im demographischen Wandel zu finden, in den knapper werdenden zeitlichen Freiräumen junger Menschen sowie der Tatsache, dass Evangelische Jugend ein Anbieter unter vielen ist und sich auch in direkter Konkurrenz befindet.
Digitalisierung führt zu epochalem Wandel
Gesellschaftliche Veränderungsprozesse gab es zu jeder Zeit. „Soziologen weisen aber momentan darauf hin, dass durch die Digitalisierung ein epochaler Wandel eingeleitet wird, der mit der Erfindung der Elektrizität verglichen werden kann“, erklärte Silke Gütlich, Fachreferentin für Grundsatzfragen im Amt für Jugendarbeit. Welche Auswirkungen dies auf junge Menschen habe, die bereits in einer digitalen Welt aufwachsen, erläuterte Christian Schuldt vom Zukunftsinstitut in Frankfurt. Er verdeutlichte, dass momentan ein Wandel zu einer neuen Gesellschaftsform stattfinde: Zur Netzwerkgesellschaft. Neue Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten brächten den Wandel von starren Strukturen, einem Entweder-oder hin zu fluiden Systemen, einem Sowohl-als-auch. Diese digitale Transformation forme und verändere junge Menschen nachhaltig.
Jugendliche, so Schuldt, hätten ein neues Wir-Verständnis. „Die Individualisierung hat nicht abgenommen, sondern verquickt sich mit dem neuen Wir-Verständnis“.
Gleichzeitig sei festzustellen, dass die Leistungsbereitschaft junger Menschen höher sei denn je. Allerdings unter klaren eigenen Vorstellungen. Junge Menschen erwarteten, dass sie mitgestalten, sich selbstverwirklichen und als selbstwirksam erleben können. Ich-Werte seien also hoch im Kurs, genauso aber Werte wie Gemeinschaft, Pflicht und Verbindlichkeit.
Die häufig beklagte politische Protestlosigkeit täusche, so Schuldt weiter. Jugendliche seien politischer denn je, allerdings gäbe es kaum noch etwas Grundlegendes zu erstreiten. Grundsätzlich habe die Jugend von morgen eine offene Haltung. Alles könne miteinander kombiniert werden, je nachdem, wie gut es in die eigene Lebenswelt passe.
Permanent online werden Jugendliche im Einklang mit dem digitalen Wandel leben und über einen hervorragenden Umgang mit Komplexität verfügen. Bei sinkenden Zahlen dieser Altersgruppe wird den Jugendlichen deshalb für die Weiterentwicklung der Gesellschaft, davon ist Schuldt überzeugt, eine höhere Relevanz zukommen als es jemals der Fall war.
Fazit nach den Vorträgen der Fachleute: Die persönliche Wahrnehmung, dass sich etwas grundlegend verändert, täuscht nicht.
Was ist zu tun?
Der Fachtag bot auch erste Impulse, wie dem Wandel angemessen begegnet werden könne, um als Evangelische Jugend und Kirche insgesamt auch zukünftig einladend für junge Menschen zu sein.
Zukunftsfähig könne sich Kirche für Jugendliche erweisen, wenn sie vielfältige Angebotsformen vorhalte, als authentisch erlebt werde und mit flachen Hierarchien arbeite, so die Experten. Erhöhte Fachkompetenzen der Pädagogen, insbesondere eine digitale Expertise, um Jugendliche überzeugend zu erreichen sowie Möglichkeiten zur Weiterbildung für junge Menschen seien ebenso zukunftsweisend.
Wie sich in weiteren Expertengesprächen und anschließenden Zukunftswerkstätten zeigte, bringt evangelische Jugendarbeit aber auch schon vieles mit, um anschlussfähig zu bleiben. Das Merkmal Partizipation als fester Bestandteil der Jugendarbeit entspräche beispielsweise dem Bedürfnis der Jugend, das Ich zur Entfaltung zu bringen. Auch an dem Wunsch nach einer Wir-Kultur könne Kirche gut anknüpfen. „Wir werden auch gebraucht als Partner, der Räume schafft, um sich mit der eigenen Religiosität auseinander zu setzen“, so Zimmermann.
Wenn es gelingt traditionelle Werte neu aufzuladen, so das Resümee, könne Kirche im Leben jungen Menschen weiter relevant sein.
29.10.2015
Anja Lukas-Larsen