Ich liebe wen, ich will
Ein Stammtisch lädt ein
Münster. Jeden ersten Montag im Monat trifft sich der Stammtisch „Ich liebe, wen ich will!“ in der Ev. Familienbildungsstätte in Münster. Seit Februar 2012 kommen dort bis zu 18 schwule, lesbische, bisexuelle und transsexuelle Menschen mit Behinderung zusammen. In lockerem Rahmen tauschen sich die Besucher aus, sprechen über ihre Erfahrungen und machen gemeinsame Unternehmungen.
Leben, wie ich es für richtig halte
„Für mich war es wichtig, endlich Menschen persönlich zu treffen und zu erfahren, wie diese mit manchen Problemen umgehen. Bislang habe ich es nur über das Internet versucht, was aber eher enttäuschend war“, erzählt ein 22-jähriger Mann, der erst das zweite Mal beim Stammtisch ist. Er berichtet der Runde: in seiner Familie habe er noch nicht allen erzählt, dass er schwul ist. Gerade mit seinem Vater habe er noch nie über solche Dinge gesprochen. Er gibt auch seiner Sorge Ausdruck, sich in seinem Unternehmen zu outen. Er könne nicht einzuschätzen, wie seine Kollegen darauf reagieren. Grundsätzlich hat er für sich aber eine Richtung gefunden: „Was ist wichtiger? Die Erwartungen anderer zu erfüllen oder so zu leben, wie ich es für richtig halte?“ Er hat sich für ein selbstbestimmtes Leben entschieden.
Ein Stammtisch wie jeder andere
Wie bei jedem anderen Stammtisch auch, steht ein gemeinsames Thema im Mittelpunkt. Hier ist es der Umgang mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung in Kombination mit einer besonderen sexuellen Orientierung. Probleme, sich zu offenbaren, bei Eltern oder Freunden oder der Umgang damit, wenn man auf Unverständnis stößt, gehören genauso zu den Gesprächsthemen, wie der Austausch von Tipps, welche Homopartys auch gut mit einem Rollstuhl zu erreichen sind oder Berichte über die letzten Wochenendaktivitäten.
Zu erfahren, dass es anderen ähnlich geht wie einem selbst, ist für die meisten der entscheidende Grund, an diesem Stammtisch teilzunehmen. In der Runde wird in einer entspannten und offenen Atmosphäre viel erzählt, gelacht und manchmal werden auch ein paar Tränen vergossen. „Es tut gut, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Außerdem ist es schön, etwas zusammen zu unternehmen. Es ist gut, mitgezogen zu werden. Alleine mache ich das oft nicht“, berichtet Werner, der im Rollstuhl sitzt, auf einen Assistenten angewiesen ist und seit Anfang an zur Gruppe gehört.
Zusammen aktiv
Gemeinsam wird entschieden, was auf dem Programm steht. Kino- oder Weihnachtsmarktbesuche und gemeinsames Kochen gehörten ebenso zu den bisherigen Aktivitäten wie Grillen und Kneipengänge bei schönem Wetter. Zurzeit wird die erstmalige Teilnehme am Christopher Street Day am 15. Juni in Münster geplant. Für einige ein mutiger Schritt, denn sich so öffentlich als schwul oder lesbisch zu outen, fällt auch in dieser Runde nicht allen leicht.
Über Ortsgrenzen hinweg
Der Stammtisch ist weit über die Grenzen Münsters hinaus bekannt. Besucher aus Ahlen, Osnabrück und sogar Bochum gehören zu den regelmäßigen Runden. Die Vernetzung zu anderen Gruppen ist dem Kreis zusätzlich wichtig und so hält er regelmäßigen Kontakt zu der bundesweiten Organisation „queerhandicap“.
Neue Interessierte sind herzlich Willkommen und erhalten weitere Informationen bei Anke Papenkort, Tel. 0251/6096015, papenkort(at)aidshilfe.org
Die Idee zu diesem Projekt ist aus mehreren Paar- und Männerseminaren für Menschen mit Behinderung in der Ev. Jugendbildungsstätte Nordwalde entstanden. Dort zeigte sich, dass es ein deutliches Interesse an einem Angebot über Heterosexualität hinaus gab.
Begleitung und Unterstützung erfährt der Stammtisch durch Anke Papenkort, Mitarbeiterin der Aids-Hilfe Münster und Timo Stegemann, Pädagogischer Honorarmitarbeiter der Ev. Jugendbildungsstätte Nordwalde.
Stammtisch „Ich liebe, wen ich will!“
Jeden ersten Montag im Monat (außerhalb der Schulferien)
Ev. Familienbildungsstätte, Friedrichstraße 10, Münster
18:00 - 20:00 Uhr
06.05.2013
Anja Lukas-Larsen