Neu: sexuelle Bildung

Sex und Kirche

Amt für Jugendarbeit der EKvW verankert neue NRW-weite Projektstelle „Sexuelle Bildung“ in Haus Villigst

Es gibt Themen, die erwartet jeder in der Kirche. Auch in der Jugendarbeit. Schöpfungsverantwortung, Gerechtigkeit, Nachfolge, Friede, Gemeinschaft – vertraute Bereiche. Die 30-Jährige Janina Gruß, hat ein ganz anderes Aktionsfeld im Gepäck und jedenfalls in der westfälischen Landeskirche beschreitet sie damit recht ungepflügten Acker.  

Seit Anfang des Jahres ist Janina Gruß Referentin für sexuelle Bildung im Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen. Durch eine NRW-weite Kooperation ist es gelungen eine Projektstelle im Amt zu verankern, mit der sexuelle Bildung als kontinuierliches Thema in der Jugendarbeit eingebettet werden soll. 

Sex und Kirche – nicht wirklich zwei Säulen des Lebens, die gute Freunde sind. Auch heut zu Tage noch nicht. Warum wird eine solche Stelle überhaupt gebraucht und das scheinbar so sehr, dass sich Rheinland und Westfalen drüber einig sind?  

Bei dieser Frage lacht Frau Gruß und antwortet „Ehrlich gesagt gibt es kaum einen besseren Platz für Sexualpädagogik als den kirchlichen Raum. Denn überall dort, wo nicht über Sexualität gesprochen wird, ist ein perfekter Nährboden für Scham, Unsicherheit und Geheimnisse. Aus evangelischer Sicht ist das keine gute Basis für eine gelingende Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen“. Dabei gehe es um weit mehr als die klassische Sexualaufklärung, erläutert Gruß, warum auch eher von sexueller Bildung gesprochen werde. „Diese ist umfassender und beinhaltet Themen der sexuellen Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit, Aspekte der Persönlichkeitsbildung wie Identitätsfragen, Lust, Fruchtbarkeit und Beziehungen, als auch Werte und Normen sowie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.“ 

Diese Punkte entsprechen auf ganzer Linie dem Verständnis der evangelischen Jugend von ganzheitlicher Bildung. Eine Stärkung von Kindern und Jugendlichen ist aber nur ein Teil des Gedankens, der zur Schaffung dieser Projektstelle geführt hat. Ein zweiter relevanter Aspekt ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen. 
„Durch die Entwicklung des Kirchengesetztes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“, so erklärt Gruß, „sind ganz neue Anforderungen an jede Ebene der Landeskirche entstanden. Das war so gewollt und ist eine positive Entwicklung, die ich sehr begrüße, stellt aber viele vor ganz neue Herausforderungen. Die nun verpflichtenden Schutzkonzepte enthalten auch die Forderung nach einem sexualpädagogischen Konzept und des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung innerhalb der evangelischen Strukturen.“ 

Es gehe darum, so Gruß weiter, Präventionsarbeit und sexuelle Bildung an einigen Stellen enger zusammen zu denken und Kinder und Jugendliche stark zu machen, damit sie über ihre Sexualität, Fragen und Bedürfnisse mit Hintergrundwissen und Selbstbewusstsein sprechen und so auch mögliche Grenzverletzungen benennen können.  Dafür brauche es sexualpädagogische Angebote. 

Leichter gesagt als getan! Und hier kommt Frau Gruß dann ganz praktisch ins Spiel: „Mein Aufgabenschwerpunkt wird in diesem Jahr in der Schulung der Mitarbeitenden, Entwicklung von Handreichungen zu Methoden und Konzepten und in der Beratung zu Fachfragen liegen. Meine Zielgruppe sind dabei nicht Jugendliche selbst, sondern die Haupt- und Ehrenamtlichen der Jugendverbandsarbeit in Kirchenkreisen, Gemeinden und Verbänden, der Arbeit der Offenen Türen und Gremien in der evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.“ 

Alle, die nun Lust bekommen haben, sich vertiefend auf das Thema „sexuelle Bildung“ einzulassen, ermutigt Janina Gruße: „Ich freue mich auf viele Anfragen für Schulungen oder Fachtage und darauf die Thematik mit großer Offenheit gemeinsam mit vielen anderen in die Breite zu bringen. Ich hoffe mit meiner Arbeit neue Impulse setzen zu können, die dazu beitragen, dass Kindern und Jugendlichen innerhalb unserer evangelischen Strukturen ihr Recht auf sexuelle Bildung und Selbstbestimmung ermöglicht wird und sie in ihrer sexuellen Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung bestärkt und gut begleitet werden.“

Janina Gruß ist 30 Jahre alt, Sozialarbeiterin/ Sozialpädagogin (BA), ausgebildete Sexualpädagogin (isp/ gsp) und aktuell studiert sie berufsbegleitend im Master an der Hochschule Merseburg den Studiengang Angewandte Sexualwissenschaften. Für manche ist sie ein bekanntes Gesicht – vor der Referatsstelle „Sexuelle Bildung“ war Janina Gruß im Diakonischen Jahr der EKvW tätig und junge Freiwillige während ihres Einsatzes in sozialen Einrichtungen begleitet. 

Die neu geschaffenen NRW-weite Projektstelle „Sexuelle Bildung“ ist entstanden in der Kooperation des Amtes für Jugendarbeit der EKvW, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelische Jugend in NRW (AEJ-NRW) und der Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft Offene Türen NRW (ELAGOT). Die Stelle ist vorerst angelegt für ein Jahr und wird gefördert vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW. Im Umfang einer je halben Stelle wirkt sie in den Evangelischen Strukturen in der Offenen und in der Jugendverbandsarbeit in NRW. 

Janina Gruß
Tel. 0 23 04 - 755 - 187
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