EuroContact 2013

EuroContact 2013

Im Polnischen heißt es „utrudnienie“, die Franzosen sagen „empêchement“. Und die Engländer sprechen von „handicap“. Körperliche und geistige Behinderung hat in Europa viele Namen. In der Evangelischen Jugendbildungsstätte in Nordwalde tauschten sich jetzt vom 29. Juli bis 9. August über 60 Menschen mit und ohne Behinderung aus sechs Ländern Europas über ihr Leben mit Handicap aus. Zum 31. Mal bereits lädt der EuroContact des gleichnamigen Kölner Vereins in Kooperation mit der evangelischen Bildungseinrichtung zu dem 12-tägigen inklusiven Bildungsseminar ein. Unter der Überschrift „Ich, Europa und die Anderen!“ begrüßte Koordinatorin Eva Beeres-Fischer von der Jugendbildungsstätte junge Menschen im Alter von 15 bis 30 Jahren aus Luxemburg, Polen, Russland, Ukraine, Deutschland und Ungarn.

„Is it magic?“ steht auf einem Plakat vor dem Experimentiertisch. Benni fährt in seinem Rollstuhl näher heran. Gemeinsam mit den anderen Besuchern spekuliert er, dass die zwei Tischtennisbälle vermutlich auseinanderdriften werden, wenn er mit einem Strohhalm Luft dazwischen bläst. Aber zu seiner Überraschung passiert genau das Gegenteil: Die Bälle rücken enger zusammen. Ein Vater, der für diese Station zuständig ist, erklärt den Besuchern den physikalischen Effekt. An anderen Stationen können sie chemische Versuche durchführen, Riesenseifenblasen aufsteigen lassen oder Gesetze der Schwerkraft erproben. Ob das immer klappt oder nicht – hier gilt das olympische Motto „Dabei sein ist alles.“ Und wer dabei ist, hat sichtlich Spaß.

Viele der rund sechzig Teilnehmenden des internationalen Begegnungsseminars sind in Gruppen, teilweise mit ihren Eltern oder Betreuern angereist. Ungefähr die Hälfte der jungen Menschen hat eine körperliche oder eine geistige Behinderung. Benni ist allein aus Dülmen gekommen. Aber er weiß schon vorher, dass er hier viele Bekannte treffen wird. Er ist bereits zum neunten Mal dabei und gehört damit zu den „alten Hasen“. Jedes Jahr freut er sich auf das Wiedersehen mit seinen EuroContact-Freunden in der Evangelischen Jugendbildungsstätte in Nordwalde, aber auch auf neue Begegnungen.

Seit über fünfzehn Jahren lädt die Organisatorin, Diplompädagogin Eva Beeres-Fischer, zu dem einzigartigen internationalen Seminar für Menschen mit und ohne Behinderung in die Jugendbildungsstätte Nordwalde ein. Für das umfangreiche Programm sind rund zwanzig Studierende der Sonderpädagogik an der Universität Köln zuständig. Über zwei Semester werden sie intensiv auf ihre Aufgaben im EuroContact vorbereitet. Das vierköpfige Leitungsteam verfügt dabei schon über Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, die es in die Gruppe weitergeben kann. Ein Höhepunkt des zwölftägigen Seminars ist das traditionelle „Bergfest“ mit einem Tag der offenen Tür, zu dem auch Vertreter aus Kirche und Politik eingeladen sind.

Einmütig loben die Kölner Teamer die Jugendbildungsstätte als „den optimalen Ort“ für ihre Veranstaltung. „Hier ist alles behindertengerecht gestaltet, wir haben große Freiheiten, die Küche ist klasse und geht auf alle Bedürfnisse ein“, schwärmen sie. Es bereitet ihnen Freude, ihr theoretisches Wissen hier mit der praktischen Arbeit in den Bereichen Integration und Inklusion sowie interkulturelles Lernen zu verbinden.

Und in welcher Sprache geschieht das? „Mal deutsch, mal englisch, oft mit Händen und Füßen.“ Sprachbarrieren fallen aber ganz schnell weg, denn, so eine junge Teamerin: „Kommuniziert wird vor allem mit dem Herzen.“ Und das ist hier deutlich spürbar. Herzliche Begegnungen finden überall statt: im abwechslungsreichen Freizeitangebot, in den Workshops und in den thematischen „Communities“ (kurz: „Coms“), die die Teilnehmer zu Beginn des Seminars wählen. An einem Abend präsentiert die „Experimente-Com“ ihr Programm für alle. Ein anderes Mal ist die „Fitness-Com“, die „Fantasy-Com“ die „Quatsch-Com“ und die „Musik-Com“ jeweils mit ihrer Präsentation an der Reihe. Um Perfektion geht es dabei nicht, sondern in erster Linie um das Miteinander, den gemeinsamen Spaß – um das Dabeisein eben. Unverhofft schnell rücken dann alle näher zusammen, wie die Tischtennisbälle in Bennis Strohhalm-Experiment. – „Yes, it´s a bit magic!“